Europa in der Krise: Schluss mit Mephistos Umverteilung!

Sarah Wagenknecht

Quelle: FAZ

Auch Eurobonds werden nicht helfen: Die Finanzkrise, von neoliberaler Politik verschuldet, greift vor allem den Mittelstand an – und damit die Demokratie. Aber noch ist es nicht zu spät.

Von Sahra Wagenknecht

Wir wollen alle Tage sparen und brauchen alle Tage mehr. Und täglich wächst mir neue Pein.“ Der so klagt, ist nicht der griechische Finanzminister, sondern der von ähnlichen Finanznöten gebeutelte Marschalk am Hofe des Kaisers in Goethes Faust II. Die Szene spielt in der Kaiserpfalz, in einer sich auflösenden, zutiefst korrupten Gesellschaft, in der Kultur und Ethik jede Bindungswirkung verloren haben, eine enthemmte Oberschicht das Gemeinwesen ausplündert und sich schamlos bereichert, während die Politik ihre Gestaltungsmacht eingebüßt hat.

Jeder sucht seinen Vorteil, jeder kämpft gegen jeden, es wird betrogen und gelogen, was das Zeug hält. Verhältnisse also, die uns nur allzu bekannt vorkommen. Einen Kanzler gibt es in der Kaiserpfalz auch, der immerhin – sachter Unterschied zur Gegenwart – bemerkt: „Entschlüsse sind nicht zu vermeiden, wenn alle schädigen, alle leiden…“Ein Entschluss wird endlich auch gefasst. Er geht auf Mephistopheles zurück und besteht darin, ungedecktes Papiergeld einzuführen, das in dieser Gesellschaft natürlich nicht für produktive Investitionen genutzt, sondern in einem dekadenten Luxusrausch verbraten wird. Am Ende bricht der Spuk zusammen, und das Land versinkt endgültig in Armut und Anarchie.

Staatsschuldenkrisen sind nichts Neues. Bevorzugt finden sie in Gesellschaften statt, in denen auch sonst vieles im Argen liegt. Hilflose, die Interessen kleiner Gruppen bedienende Lösungsvorschläge, die am Ende alles noch schlimmer machen, gab es in solchen Situationen immer. Als Krisenauswege sind derzeit vor allem zwei Maßnahmen im Gespräch: erstens die Vergemeinschaftung der Schulden durch Eurobonds, was allerdings die Forderung nach einer Fiskalunion – also den Verlust nationaler Haushaltssouveränität – fast zwangsläufig nach sich zieht. Am Ende würde über die Ausgaben für italienische Universitäten oder spanische Arbeitslose in Brüssel oder, schlimmer, in Frankfurt oder Berlin entschieden. Aber auch die zweite ins Gespräch gebrachte Variante ist bedenklich: der bedingungslose Aufkauf von Staatsanleihen durch die EZB. Ein solches Fluten der Märkte mit Zentralbankgeld würde zwar nicht unbedingt Inflation, aber ganz sicher die nächste große Finanzmarktblase nach sich ziehen und den längst viel zu groß gewordenen Finanzsektor weiter aufblähen.     weiterlesen…

Anmerkung JB: Und schon wieder sticht das FAZ-Feuilleton mit einem sehr guten Gastartikel die Konkurrenz aus. Der einzige Wermutstropfen an dem Artikel ist, dass Sahra Wagenknecht sich der weit verbreiteten Sichtweise anschließt, dass Eurobonds mit hohen Zinsen einhergingen. Dass dies nicht so sein muss, hatten wir auf den NachDenkSeiten schon erwähnt.

Passend dazu: Rückt die FAZ nach links? Oder gibt das Feuilleton nur den Klassen-Clown?

Quelle: Wolfgang Michal

Viele rätseln derzeit über den partiellen “Linkskurs” des konservativen Leitmediums. Vor allem der forsche Antikapitalismus im Feuilleton wirkt auf manche berauschend. Wird die Frankfurter Redaktion zum Zentrum der deutschen Occupy-Bewegung oder ist alles nur Schall und Rauch?

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